Mittwoch, 1. Oktober 2014

"Para que drogas, si hay musica" (Wozu Drogen, wenn es Musik gibt)




Als ich das erste Mal meinen Fuß in mein neues zu Hause setzte war das erste was ich sah ein riesiges Plakat, das ungefähr so aussah:
So, nur andersrum.

Es hat mich bisher bei meiner Arbeit ständig begleitet, denn es gehört zu der Kampagne „Para que drogas si hay musica?“ (Wozu Drogen, wenn es Musik gibt?) zur Präventation von Drogenmissbrauch. Diese wurde von meiner Gastmutter und Chefin Cecilia ins Leben gerufen und findet großen Anklang.
Der Ansatz der Kampagne findet sich schon im Namen: Warum Drogen nehmen, wenn es doch eine Alternative gibt, zum Beispiel Musik. In Ayolas und Umgebung gibt es viele junge Leute, die aus Mangel an Freizeitangebot und schlechtem Einfluss dazu übergehen Drogen zu nehmen. Meiner Meinung nach ist dieses ein globales Problem: Jugendliche, die nicht genügend Möglichkeiten für Bildung, Beruf oder Freizeit bekommen und dazu vielleicht noch durch Gruppenzwang oder Freunde, die es auch nicht besser wissen aus Langeweile oder Unwissen, zur Drogen greifen.  In der Kampagne geht es dabei nicht nur um die offensichtlich illegalen Drogen, wie Crack, Heroin und Marihuana, sondern auch um Mittel die Abhängig machen, aber erlaubt sind, wie Tabak und Alkohol.

Zum Start der Kampagne versammelten sich diejenigen, die die Kampagne unterstützen wollten in der Stadthalle um dem Vertreter des Ministeriums für Gesundheit, dem örtlichen Bischof, Ceci und verschiedenen anderen Rednern zuzuhören, die die Wichtigkeit der Prävention des Drogenkonsums betonten. Darauf folgte dann ein kleines Konzert der Schüler von Semillas Musicales. Im Publikum anwesend waren unter anderen Eltern und die Direktoren der Schulen und Kollegien in Ayolas. Diese spielen eine Schlüsselrolle in der Verbreitung der Kampagne: Ein bis drei Mal pro Woche fahren wir, das sind ca. 25 Schüler der Musikschule in verschiedene Schulen um dort vor den Schülern und dem Kollegium aufzutreten. Unser Auftritt besteht aus Liedern und Stücken verschiedener Musikrichtungen, gespickt mit Ausführungen über die Gefahren des Drogengebrauchs und die Wirkungsweise verschiedener Drogen. Am Schluss steht immer die Aussage: Es gibt Alternativen! Schaut nicht weg, wenn ihr merkt, dass jemand Drogen nimmt. Sprecht mit den Menschen.
Nach dem Konzert verteilen wir Flyer und Aufkleber an alle Anwesenden. Zielgruppen sind vorrangig Jugendliche, aber wir wollen so viele wie möglich erreichen, weshalb wir auch Präsentationen für Kindern und Erwachsenen organisieren.

Der erste Auftritt.


Soundcheck mit der Band.

Die ganze Schule ist versammelt.

Am elften September fand außerdem auch ein Festival unter dem Motto „Para que drogas, si hay musica“ statt, das wir organisiert haben und zu dem Musiker aus dem ganzen Land angereist sind.
Eine tragende Rolle bei der Verbreitung des Anti-Drogen Kampagne spielt das örtliche Radio: Mission FM. Pepe, mein Gastpapa ist dort Journalist und hat so die Möglichkeit das Thema anzusprechen. So läuft ungefähr zweimal die Stunde eine Art Werbespot für die Kampagne, der im Vorfeld hier zu Hause gedreht wurde. Die Lieder unserer Konzerte, die Pepe jedes Mal mitschneidet laufen dann auch ab und zu im Radio.

Pepe am Mischpult. Manchmal sogar mit Liveübertragung im Radio

Das Radio hier ist allgemein sehr viel interaktiver als in Deutschland, wenn etwas ist, was man loswerden möchte kann man dort anrufen und darüber sprechen. Beziehungsweise manche Programme sind so aufgebaut, dass sie darauf angewiesen sind, dass Leute anrufen. Das Radio ist sozusagen ein Meinungsbildendes Instrument, was in diesem Fall nicht die Linie der Regierung fährt. Aber darüber werde ich später noch schreiben.

Ob Polka, Blues oder Popmusik: Sebas kann alles mit seiner Geige begleiten.
Ein Nebeneffekt der ganzen Auftritte ist, dass uns jeder auf der Straße erkennt und grüßt, weil sie uns in der Schule gesehen oder im Radio gehört haben. Durch die Auftritte an den Schulen haben wir jedes Kind und jeden Jugendlichen in Ayolas erreicht.

Die Polka Paraguaya läd zum Tanzen ein.
Von verschiedenen Seiten habe ich schon gehört, dass unsere Kampagne revolutionär sei, da es etwas Vergleichbares vorher noch nie in Paraguay gegeben hat. Eine Institution die empfiehlt: Sagt Nein wenn ihr Drogen angeboten bekommt. Macht Musik, spielt Fußball, macht sonstwas, aber das und das sind die Nebeneffekte und das ist schlecht für euch. Achtet auf euch und eure Mitmenschen.

Der Wahlspruch der Musikschule Semillas Musicales.
Der Grund dafür, dass das Thema nicht angesprochen wird ist, kann beispielsweise sein, dass die Leute die Geld mit Tabak, Alkohol etc. verdienen und somit viel Geld besitzen oft auch an Schlüsselpositionen in der Regierung oder der Verwaltung sitzen und kein Interesse daran haben weniger Profit zu machen.

"Tren del Cielo" mit Querflötenbegleitung

Der Effekt der Kampagne und ihre Reichweite ist sehr groß, auch bei Semillas Musicales merken wir das: In den letzten drei Wochen haben wir dreißig neue Schüler bekommen.

Das sieht dann so aus.

Deswegen mussten wir letzten Sonntag schon auf die in der Nähe liegende Schule ausweichen, weil unsere Klassenräume hier für die Menge an Leuten nicht ausreichen.