Als ich das erste Mal meinen Fuß in mein neues zu Hause
setzte war das erste was ich sah ein riesiges Plakat, das ungefähr so aussah:
Es hat mich bisher bei meiner Arbeit ständig begleitet, denn
es gehört zu der Kampagne „Para que drogas si hay musica?“ (Wozu Drogen, wenn
es Musik gibt?) zur Präventation von Drogenmissbrauch. Diese wurde von meiner
Gastmutter und Chefin Cecilia ins Leben gerufen und findet großen Anklang.
Der Ansatz der Kampagne findet sich schon im Namen: Warum
Drogen nehmen, wenn es doch eine Alternative gibt, zum Beispiel Musik. In
Ayolas und Umgebung gibt es viele junge Leute, die aus Mangel an
Freizeitangebot und schlechtem Einfluss dazu übergehen Drogen zu nehmen. Meiner
Meinung nach ist dieses ein globales Problem: Jugendliche, die nicht genügend
Möglichkeiten für Bildung, Beruf oder Freizeit bekommen und dazu vielleicht
noch durch Gruppenzwang oder Freunde, die es auch nicht besser wissen aus
Langeweile oder Unwissen, zur Drogen greifen.
In der Kampagne geht es dabei nicht nur um die offensichtlich illegalen
Drogen, wie Crack, Heroin und Marihuana, sondern auch um Mittel die Abhängig
machen, aber erlaubt sind, wie Tabak und Alkohol.
Zum Start der Kampagne versammelten sich diejenigen, die die
Kampagne unterstützen wollten in der Stadthalle um dem Vertreter des
Ministeriums für Gesundheit, dem örtlichen Bischof, Ceci und verschiedenen
anderen Rednern zuzuhören, die die Wichtigkeit der Prävention des Drogenkonsums
betonten. Darauf folgte dann ein kleines Konzert der Schüler von Semillas
Musicales. Im Publikum anwesend waren unter anderen Eltern und die Direktoren
der Schulen und Kollegien in Ayolas. Diese spielen eine Schlüsselrolle in der
Verbreitung der Kampagne: Ein bis drei Mal pro Woche fahren wir, das sind ca.
25 Schüler der Musikschule in verschiedene Schulen um dort vor den Schülern und dem Kollegium
aufzutreten. Unser Auftritt besteht aus Liedern und Stücken verschiedener
Musikrichtungen, gespickt mit Ausführungen über die Gefahren des
Drogengebrauchs und die Wirkungsweise verschiedener Drogen. Am Schluss steht
immer die Aussage: Es gibt Alternativen! Schaut nicht weg, wenn ihr merkt, dass
jemand Drogen nimmt. Sprecht mit den Menschen.
Nach dem Konzert verteilen wir Flyer und Aufkleber an alle
Anwesenden. Zielgruppen sind vorrangig Jugendliche, aber wir wollen so viele
wie möglich erreichen, weshalb wir auch Präsentationen für Kindern und
Erwachsenen organisieren.
Der erste Auftritt. |
Soundcheck mit der Band. |
Die ganze Schule ist versammelt. |
Am elften September fand außerdem auch ein Festival unter
dem Motto „Para que drogas, si hay musica“ statt, das wir organisiert haben und
zu dem Musiker aus dem ganzen Land angereist sind.
Eine tragende Rolle bei der Verbreitung des Anti-Drogen Kampagne
spielt das örtliche Radio: Mission FM. Pepe, mein Gastpapa ist dort Journalist
und hat so die Möglichkeit das Thema anzusprechen. So läuft ungefähr zweimal
die Stunde eine Art Werbespot für die Kampagne, der im Vorfeld hier zu Hause
gedreht wurde. Die Lieder unserer Konzerte, die Pepe jedes Mal mitschneidet
laufen dann auch ab und zu im Radio.
Pepe am Mischpult. Manchmal sogar mit Liveübertragung im Radio |
Das Radio hier ist allgemein sehr viel interaktiver als in
Deutschland, wenn etwas ist, was man loswerden möchte kann man dort anrufen und
darüber sprechen. Beziehungsweise manche Programme sind so aufgebaut, dass sie
darauf angewiesen sind, dass Leute anrufen. Das Radio ist sozusagen ein
Meinungsbildendes Instrument, was in diesem Fall nicht die Linie der Regierung
fährt. Aber darüber werde ich später noch schreiben.
Ob Polka, Blues oder Popmusik: Sebas kann alles mit seiner Geige begleiten. |
Ein Nebeneffekt der ganzen Auftritte ist, dass uns jeder auf
der Straße erkennt und grüßt, weil sie uns in der Schule gesehen oder im Radio
gehört haben. Durch die Auftritte an den Schulen haben wir jedes Kind und jeden
Jugendlichen in Ayolas erreicht.
Von verschiedenen Seiten habe ich schon gehört, dass unsere
Kampagne revolutionär sei, da es etwas Vergleichbares vorher noch nie in
Paraguay gegeben hat. Eine Institution die empfiehlt: Sagt Nein wenn ihr Drogen
angeboten bekommt. Macht Musik, spielt Fußball, macht sonstwas, aber das und
das sind die Nebeneffekte und das ist schlecht für euch. Achtet auf euch und
eure Mitmenschen.
Der Wahlspruch der Musikschule Semillas Musicales. |
Der Grund dafür, dass das Thema nicht angesprochen wird ist,
kann beispielsweise sein, dass die Leute die Geld mit Tabak, Alkohol etc.
verdienen und somit viel Geld besitzen oft auch an Schlüsselpositionen in der
Regierung oder der Verwaltung sitzen und kein Interesse daran haben weniger
Profit zu machen.
"Tren del Cielo" mit Querflötenbegleitung |
Der Effekt der Kampagne und ihre Reichweite ist sehr groß,
auch bei Semillas Musicales merken wir das: In den letzten drei Wochen haben
wir dreißig neue Schüler bekommen.
Deswegen mussten wir letzten Sonntag schon auf die in der Nähe liegende Schule ausweichen, weil unsere Klassenräume hier für die Menge an Leuten nicht ausreichen.
Das sieht dann so aus. |
Deswegen mussten wir letzten Sonntag schon auf die in der Nähe liegende Schule ausweichen, weil unsere Klassenräume hier für die Menge an Leuten nicht ausreichen.